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Und wie war das bei dir, Susanne?

Jede Frau geht unterschiedlich mit einer Brustkrebserkrankung um. Hier schildert Susanne ihre Erfahrungen.

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Fragebogen zum Leben mit MammaCa

Brustkrebs ist nicht gleich Brustkrebs: Die Erkrankung tritt in unterschiedlichen Arten, Stadien und Altersgruppen auf. Ebenso unterscheidet sich die Art und Weise, wie betroffene Frauen mit der Krankheit umgehen und wie das Leben für sie weitergeht. Wir haben einen Fragebogen entwickelt, in dem Frauen über die Diagnose Brustkrebs, die Therapie und ihre ganz persönlichen Erfahrungen damit berichten. Heute fragen wir: „Und wie war das bei dir, Susanne?“

 

SusanneZur Person


Name: Susanne
Alter: 37 Jahre
Beruf: Studienkoordinatorin Onkologie
Persönliches Umfeld: verheiratet, 1 Sohn


Diagnose Brustkrebs


Welche Art von Brustkrebs hattest du?
Ich hatte einen triple-negativen Tumor.

Wann und wie hast du die Diagnose Brustkrebs erhalten?
Ich hatte Ende 2011 eine Verhärtung in meiner Brust bemerkt, die nach einigen Wochen zudem anfing zu schmerzen. Daraufhin machte ich bei meiner Frauenärztin einen Termin zum Ultraschall – in der vollkommenen Gewissheit, dass es sich dabei um etwas Harmloses handeln würde. Mit den Ultraschallbildern kam der erste Schreck, denn sie empfahl mir, die Sache im Brust-Zentrum Zürich abklären zu lassen. Zwei Tage später hatte ich einen Termin zur Biopsie und dann kam das „lange“ Wochenende, an dem ich auf das Ergebnis warten musste.

Ich erzählte nicht vielen Leuten von der Sache. Nur meinen beiden besten Freundinnen, die mich zu beruhigen versuchten. Eine Zeit lang gelang es mir, den Optimismus aufrechtzuerhalten. Aber eigentlich sagte mir mein Gefühl bereits seit dem Ultraschall, dass die ganze Sache nicht gut enden würde. Am Dienstag kam der Termin bei meiner Frauenärztin, um den Befund zu besprechen. Ich war alleine im Wartezimmer. Als sie mich holte, war mir schon beim Small Talk auf dem Weg ins Sprechzimmer klar, was kommen würde. Dann die vier Worte, die sich in meine Seele gebrannt haben: „Es ist wirklich Krebs.“ 

Wie hast du dich dabei gefühlt?
Die Welt ist für einen Moment stehen geblieben und hat sich gleichzeitig eine Million Mal gedreht.

Wie hast du dich über die Krankheit und Behandlungsmethoden informiert?
Ich habe auf den ersten Termin mit meiner behandelnden Ärztin im Brust-Zentrum gewartet, der zwei Tage später stattfand. Vorher war ich durch den Schock überhaupt nicht in der Lage, eine eigene Recherche, etwa im Internet zu starten. Mein Körper war nach der Diagnose zwei Tage lang wie taub und hat mir kaum erlaubt, vom Sofa aufzustehen.

Aus heutiger Sicht würde ich auch keiner Patientin dazu raten, die eigene Krankheit oder die Therapie zu googeln, denn dadurch wird die Angst nur größer. Aus meiner Sicht ist es immer der beste Weg, sich schnellstmöglich von einem Spezialisten beraten zu lassen, denn jeder Brustkrebs und die Therapiemöglichkeiten sind so individuell. Das deckt das Internet nicht ab.

Was war bei der Diagnose deine größte Sorge?
Meine Sorge im ersten Moment waren meine Haare, da ich sie für meine Hochzeit gerade langwachsen ließ. Meine zweite Sorge war dann, dass meine Hochzeit ins Wasser fallen würde.

Die Nerven habe ich aber erst richtig verloren, als mir klar wurde, dass ich Anfang 30 war und wahrscheinlich nie Kinder kriegen würde. Während mein gesamtes Umfeld auf Hochzeits- und Familienplanung eingestellt war, würde ich mich mit Chemotherapie und Haarverlust beschäftigen müssen. Meine gesamte Lebensplanung wurde mit der Brustkrebsdiagnose von der einen auf die andere Sekunde über den Haufen geworfen. Für eine kurze Sekunde hatte ich Panik, dass ich vor meinen Eltern sterben würde, aber diesen Gedanken habe ich sehr schnell verdrängt.

Meine größte Angst war, dass mein Leben, so wie ich es kannte, zu Ende war und nichts weiter vor mir lag als eine riesige Ungewissheit.

Für welche Art der Operation hast du dich entschieden und warum?
Ich kann nicht sagen, dass ich mich aktiv dazu entschieden habe, aber ich bin der Empfehlung meiner Ärztin für eine neoadjuvante Chemotherapie gefolgt. Das heißt, ich habe erst die Systemtherapie erhalten. Ziel war, den Tumor in meiner Brust zu verkleinern, um dann brusterhaltend operieren zu können.

Am Anfang hatte ich gemischte Gefühle, da ich den Krebs eigentlich so schnell wie möglich aus meinem Körper haben wollte. Der Vorteil bei diesem Weg war allerdings, dass ich schnell mit der Chemotherapie starten konnte und auch durch das Schrumpfen des Knotens sehen konnte, dass die Therapie etwas in meinem Körper bewirkt. So konnte ich die leidigen Nebenwirkungen besser ertragen.

Nach sechs Zyklen war der Krebs dann komplett verschwunden und bei der Operation musste mir nur sehr wenig Gewebe entnommen werden. Den pathologischen Befund, dass keine Tumorzellen mehr im Gewebe nachweisbar waren, lese ich heute noch gerne.

Bist du mit dem Ergebnis der Operation „zufrieden“?
Ja, das kann ich absolut sagen. Anfangs hat man kaum einen Unterschied gesehen. Mit der Zeit hat sich die Narbe immer mehr eingezogen, aber das ist ein Detail, das nur ich sehe und es stört mich optisch eigentlich kaum.

Wer oder was hat dir während der Krankheit am meisten geholfen?
Mein Mann war mir in der Zeit die größte Stütze. Wie bewundernswert er mit der Situation und mir umgegangen ist, lässt sich mit Worten nicht beschreiben.

Ich denke, dass es für Angehörige meist noch viel schwieriger ist, eine Krebserkrankung zu ertragen, denn die Machtlosigkeit, nichts wirklich ausrichten zu können, empfinden sie manchmal als viel schwieriger. Ich konnte kämpfen und etwas bewirken, hatte also den aktiven Part und konnte meine ganzen Emotionen, meine Angst und meine Verzweiflung dahingehend bündeln, den Krebs in den Allerwertesten zu treten. Diese Rolle war während der Krankheit viel besser zu ertragen.

Gab es Menschen, mit denen du darüber sprechen konntest?
Ja, ich hatte sehr großes Glück mit meinem sozialen Umfeld und habe viele Gespräche mit meinen Freunden und meiner Mutter geführt. Ich habe mich schnell dazu entschieden, mich nicht zu verstecken und meinen Kampf offen und mutig zu zeigen. Ich habe das Gefühl, dass es den Menschen um mich herum dadurch leichter gefallen ist, mit der Situation umzugehen, da sie wussten, dass sie mich offen auf die Krankheit ansprechen konnten.

Was hätte in der Versorgung besser laufen können – medizinisch, aber auch menschlich?
Eigentlich nichts, da die Gesundung der Behandlung ja recht gibt. Zudem wurde ich durch eine Breast Care Nurse begleitet, die mich super durch den ganzen Dschungel der Therapien und Bürokratien geleitet hat und immer für meine Ängste und Sorgen da war.

Allerdings habe ich heute immer noch mit manchmal extremen Schmerzen in meiner Brust zu kämpfen, die hauptsächlich durch die Bestrahlung und die zunehmende Verhärtung der inneren Narbe entstanden sind. Diese Schmerzen verursachen natürlich immer wieder Angst, ob der Krebs doch wieder zurück ist. Da frag’ ich mich manchmal, ob es heute leichter wäre, wenn die ganze Brust weg wäre. Aber ich denke, dann hätte ich andere körperliche Probleme und die Angst vor einem Rückfall lässt sich ohnehin nicht mit einem Skalpell aus dem Körper schneiden.


Den Brustkrebs überstanden


Wie sieht heute deine Nachsorge aus?
In den ersten zwei Jahren nach der Diagnose hatte ich recht engmaschige Kontrollen: alle drei Monate Blutuntersuchungen bei meinem Onkologen, halbjährlich einen Ultraschall der Brust und jährlich eine Mammografie. Die Blutkontrollen mache ich mittlerweile nur noch jährlich bei meinem Hausarzt.

Arbeitest du wieder in deinem alten Job?
Nach der Erkrankung habe ich noch ein Jahr für 60 Prozent in meinem alten Beruf als PR-Beraterin gearbeitet. Es hat sich aber bald herausgestellt, dass ich mich in dieser Rolle nicht mehr finden konnte und sich meine Prioritäten verschoben hatten. Der Zufall hat es so gewollt, dass mir dann der Job als Studienkoordinatorin in der Praxis meines Onkologen angeboten wurde. Diese Veränderung bin ich dann eingegangen.

Wie viel Zeit nimmst du dir für dich – jenseits von Beruf und Familie?
In den ersten Jahren habe ich sehr auf meinen inneren Ausgleich geachtet – was aber auch sehr mit der Angst zu tun hatte, dass der Krebs wiederkommen könnte, wenn ich meinen Körper wieder über meine Grenzen hinaus belaste. Ich hatte das starke Bedürfnis, meinem Körper nach all den Strapazen der Therapie Gutes zu tun und habe sehr auf eine gesunde Ernährung, Sport und ausreichend Schlaf geachtet.

Meine Erkrankung ist mittlerweile sechs Jahre her und da bin ich doch wieder recht stark im Alltagsleben und dem Stress angekommen. Zudem habe ich einen zweijährigen Sohn, der mir nur wenige Auszeiten erlaubt. :)  Aber was ich gelernt habe, ist, jeden Tag aufs Neue in mich hineinzuhören und mir eine Auszeit zu nehmen, wenn meine Kondition aus dem Gleichgewicht zu geraten droht. Dann gehe ich in den Wald, gehe joggen oder schwimmen oder ich meditiere.

Hat die Krebserkrankung dein Leben verändert?
Komplett. Wo soll ich anfangen?! Ich bin ein ganz neuer Mensch, auch wenn das für mein Umfeld vielleicht manchmal gar nicht so ersichtlich ist. Es ist eher eine veränderte Haltung im Inneren, die mir sehr guttut. Es wirkt sich auf den alltäglichen Umgang mit meinen Mitmenschen aus und auf die Frage, wie ich Prioritäten setze. Ich denke, dass der Krebs mir sehr stark geholfen hat, eine innere Gelassenheit zu entwickeln. Dafür bin ich sehr dankbar.

Wie viel Raum nimmt die Krankheit heute in deinem Leben ein?
Die Krebs-Erfahrung begleitet jeden Tag, aber meist im positiven Sinne, weil sie mein Bewusstsein für das Hier und Jetzt gestärkt hat. Aber dann gibt es auch die Zeiten der Kontrollen, vor denen die Angst immer wieder zurückkehrt und ich den Phantomkrebs wieder im ganzen Körper spüre. Mittlerweile kann ich immer besser mit dieser Angst umgehen, aber ich habe mich auch damit abgefunden, dass sie nie wieder verschwinden wird.


Vielen Dank, liebe Susanne!


27. März 2018

Grafik: Sandy Braun; Foto: privat