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„Wir brauchen vielfältigere Körperbilder“

Elle Journelle ist Anhängerin von Body Positivity. Ihre Botschaft: Ich mag mich, so wie ich bin und aussehe.

Wir brauchen vielfältigere Körperbilder

Elle Journelle ist 41 Jahre alt, Mutter von zwei Kindern und Anhängerin der Body Positivity-Bewegung. Auf Instagram zeigt sie sich daher gerne mal ungeschminkt. Auch dass sie etwas breitere Hüften hat, versteckt die Bloggerin nicht. Ihre Botschaft: Ich sehe aus, wie ich aussehe, und ich mag mich, wie ich bin.

Redaktion: Was bedeutet der Begriff Body Positivity für Sie?

Journelle: Dass ich mit meinem Körper zufrieden bin und keine Angst vor dem Dicksein habe – ebenso wenig vor dem Älterwerden. Denn mein Körper ist nicht mein Feind, vielmehr gibt er mir die Möglichkeit, mein Leben zu leben, wie es ist. Ihn stetig verbessern und verschönern zu wollen, setzt uns nur unnötig unter Druck.

Im Jahr 2012 löste Ihr Hashtag #609060 im Netz eine breite Debatte über Körperideale aus. Wie kamen Sie auf die Idee?

Ich war nie wirklich schlank. Nach der Geburt meiner zwei Kinder hatte ich dann noch ein paar zusätzliche Kilos auf den Hüften und versuchte abzunehmen. In dieser Zeit informierte ich mich nicht nur viel über Diäten, ich las auch zum ersten Mal Beiträge über das Thema Body Positivity. Irgendwann fragte ich mich dann, für wen ich eigentlich abnehmen will. Mein Mann liebte mich auch mit den paar Kilos mehr, ebenso wie meine Freunde. Tatsächlich schien nur ich selbst ein Problem mit meinem Körper zu haben. Das mit dem Hashtag #609060 war dann ehrlich gesagt ein Versehen.

 

Instagram zeigt, wie vielfältig unsere Körper sind


Wie meinen Sie das?

In dieser Zeit begann ich auch, Bilder von mir auf Instagram zu posten. Zu einem der Fotos schrieb ich einen kleinen Text und vertippte mich. Der Hashtag #609060 wurde dann als Parodie auf die angeblichen Idealmaße 90/60/90 benutzt – was mir natürlich ziemlich gut gefiel.

Obwohl Sie sich in Ihrem Körper unwohl fühlten, begannen Sie Fotos von sich auf Instagram zu posten?

Ja. Die Bilder waren meine Art, mich mit meinem Körper auseinanderzusetzen. Außerdem halfen sie mir, mir selbst wieder näherzukommen und wieder ein Gefühl für meinen Körper zu entwickeln. Durch die vielen Diäten und meinen Wunsch, schlanker zu sein, hatte ich den Bezug zu mir tatsächlich etwas verloren. Die Bilder waren aber auch eine Bestätigung, denn sie zeigten mir, dass ich trotz meiner zusätzlichen Kilos gut aussehe. Besonders gut getan hat es mir allerdings, anderen Bloggern und Instagramern zu folgen, die wie ich nicht der üblichen Norm entsprachen.

Können Sie das erklären?

Ein Großteil der Bilder, die uns in den Medien und in der Welt der Mode begegnen, zeigen hübsche, dünne, weiße Frauen. Kleine und dicke Menschen sehen wir hingegen kaum. Ebenso wenig wie haarige oder solche mit X-Beinen. Dieses einseitige Körperbild – dem viele Menschen schon aufgrund ihres Körperbaus nicht entsprechen können – verengt unsere Wahrnehmung. Die Instagram-Bilder öffneten meinen Blick und zeigten mir, wie vielfältig unsere Körper sind.

Was Body Positivity bedeutet

„Body Positivity“ ist ein noch recht neuer Trend aus den USA. Anhänger der Bewegung sind vor allem Frauen. Ihr Ziel ist es, den eigenen Körper so zu akzeptieren, wie er ist – und zwar unabhängig von den gängigen Schönheitsidealen, die uns vom Cover nahezu jeder Frauenzeitschrift ins Auge springen. Gemeint ist damit jedoch nicht, dass wir unseren Körper bedingungslos lieben müssen, vielmehr geht es den Vertreterinnen der Bewegung darum, ihn anzuerkennen und zu respektieren – und zwar egal, ob in Kleidergröße 36 oder 54, ob mit sichtbaren Dehnungsstreifen oder ohne.

Eine allgemeingültige Definition von Body Positivity gibt es bislang nicht. Nach einer Umfrage, die Marktforscher der App Whisper im Jahr 2016 für das Magazin Psychology Today durchführten, bedeutet Body Positivity für die Mehrheit der befragten Frauen „gut mit Makeln leben zu können“ (35,1). Knapp jede Dritte versteht darunter „sich selbst zu lieben“ (29,3 Prozent) und jede fünfte assoziiert den Begriff mit „selbstbewusst zu sein“ (21,1 Prozent) oder damit, „seinen Körper wertzuschätzen" (14,5 Prozent).

Sie haben mit Instagram also Ihre Sehgewohnheiten geändert.

Richtig. Und verstehen Sie mich nicht falsch: Auch ich schminke mich nach wie vor gern, mache mir Gedanken darüber, was ich anziehe und trage ab und an hohe Schuhe – Body Positivity und gut aussehen zu wollen, schließen sich meiner Meinung nach nicht aus. Was wir hingegen brauchen, ist mehr Sichtbarkeit für all die Menschen, die nicht der Norm entsprechen. Denn je vielseitiger unsere Körperbilder werden, desto entspannter wird letztendlich auch unser Umgang mit uns selbst.

Schwangerschaftsstreifen und Cellulite fallen Ihnen heute also nicht mehr negativ auf?

Die habe ich tatsächlich kaum. Mein Problem war eher, dass ich durch die Schwangerschaft so zugenommen hatte. Dennoch finde ich Schwangerschaftsstreifen nicht schlimm – sie sind schließlich auch ein schönes Zeichen dafür, was ich als Frau geleistet habe: ein wundervolles Kind zur Welt gebracht zu haben.

 

Schlank zu sein verändert nicht die Psyche

 

Scheinbare Makel haben also auch etwas Positives.

Sie erzählen zumindest eine Geschichte und machen uns zu dem Menschen, der wir sind. Das gilt aus meiner Sicht auch für Frauen, deren Körper sich durch eine Krankheit wie Krebs verändert hat. Persönlich bin ich glücklicherweise nicht von Brustkrebs betroffen. Grundsätzlich finde ich es jedoch schade, wenn eine Frau sich wegen ihrer Narben unwohl fühlt und sich aus Scham nicht mehr in die Sauna oder an den Strand traut. Mich macht das traurig. Denn das Gefühl, dass der eigene Körper nicht richtig ist, wie er ist, kenne ich durch das Dicksein nur zu gut. Meinen Körper zu akzeptieren, das war auch für mich ein langer Weg.

Wenn Sie heute vor den Spiegel treten, können Sie selbstbewusst sagen: Ich fühle mich mit mir und meinem Körper wohl.

Größtenteils ja. Natürlich gibt es auch bei mir Phasen, in denen ich unzufrieden bin, über meine Speckrollen schimpfe oder mich frage, warum meine Augenringe heute eigentlich so dunkel sind. Dennoch fühle ich mich heute um einiges wohler als in der Zeit, als ich dünner war. Denn glücklich zu sein, hat nichts mit dem Maß meiner Taille zu tun, sondern damit, dass ich mein Leben so lebe, wie ich es will und lerne, mich auch mit dem, was an mir nicht perfekt ist, anzunehmen und wertzuschätzen.


15. August 2018

Foto: privat

 

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