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Pharma klärt über Brustkrebs auf – eine Website im Test

Die Informationen im Internet zum Thema Brustkrebs sind zahlreich. Doch können wir ihnen tatsächlich trauen?

Pharma klärt über Brustkrebs auf – eine Website im Test

Im Internet gibt es zahlreiche Informationsangebote zum Thema Brustkrebs – nicht nur von Brustzentren, Beratungsstellen und Patientenorganisationen, sondern auch von Pharmafirmen. Doch können wir diesen Informationen tatsächlich trauen? Unsere Redakteurin hat die Website der Kampagne „Durch die Brust ins Herz – Herausforderung Brustkrebs“ getestet und unabhängige Experten nach ihrer Meinung gefragt.

Bei Recherchen für einen Beitrag zum Thema Brustkrebs-Rezidiv stieß ich auf die Website der Brustkrebszentrale – und war erst einmal begeistert. Auf dem Informationsportal werden Erfahrungsberichte von Betroffenen, zahlreiche Experteninterviews sowie eine Reihe gut recherchierter und aufbereiteter Fachbeiträge angeboten – nicht nur in Textform, sondern auch als Video. Ich klicke durch die Website, lese, schaue mir die Artikel genauer an. Dann erst entdecke ich oben rechts das Logo von Roche Pharma.

Die Roche Pharma AG ist die deutsche Tochtergesellschaft von F. Hoffmann-La Roche, einem der größten Pharmaunternehmen weltweit. Die Firma stellt diagnostische Tests her, erforscht Stoffwechselerkrankungen wie Mukoviszidose und entwickelt Medikamente – nicht nur gegen Diabetes und Malaria, sondern auch gegen Brustkrebs. 2016 erwirtschafte das Schweizer Unternehmen einen Umsatz von rund 50,6 Milliarden Schweizer Franken.

Die Website brustkrebszentrale.de ist Teil der Informationskampagne „Durch die Brust ins Herz – Herausforderung Brustkrebs“, die Roche Pharma gemeinsam mit Ärzten und Patientinnen initiiert hat. Aber kann eine Firma wie Roche Pharma mich und Betroffene wirklich neutral über Brustkrebs informieren? Um das herauszufinden, habe ich mir die Website näher angeschaut und unabhängige Experten nach ihrer Meinung gefragt.

 

Roche Pharma arbeitet transparent

 

Wolf-Dieter Ludwig, Vorsitzender der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) sieht das kritisch: „Pharmazeutische Unternehmer haben starke, allen voran ökonomische Interessen“, meint Ludwig. Als Informationsquelle für Patienten seien sie daher ungeeignet. Christiane Fischer von Mezis, einer Initiative, die sich gegen die Beeinflussung und Bestechlichkeit von Ärztinnen und Ärzte einsetzt, sieht das ähnlich: „Eine Firma wie Roche Pharma kann Patienten nicht neutral informieren.“

Aber ist das alles wirklich so einfach? Auf den ersten Blick ist an dem Informationsangebot nichts auszusetzen. Patientengeschichten und Expertenmeinungen sind klar voneinander getrennt, die Inhalte werden in verständlicher Sprache vermittelt, Hintergründe sachlich erläutert und Roche Pharma verbirgt an keiner Stelle, dass es die Website betreibt und finanziert. Mit anderen Worten: Das Unternehmen arbeitet transparent. Auch Werbung ist auf der Website nicht zu entdecken – weder offensichtlich als Banner, noch im Text versteckt. Um das Marketing für und den Verkauf von Brustkrebsmedikamenten geht es anscheinend nicht. Auf Nachfrage bestätigt Roche Pharma: „Uns ist es wichtig, Patienten mit ausgewogener, korrekter und leicht verständlicher, wissenschaftlicher Information zu versorgen. Dabei geht es explizit nicht um bestimmte Arzneimittel.“

Pharma klärt über Brustkrebs auf – eine Website im Test

Ich scrolle ein bisschen weiter und entdecke die Rubrik „Wissenswert“ mit aktuellen Entwicklungen aus der Gesundheitspolitik. Hier findet sich ein Interview zum Thema klinische Studien. Rede und Antwort steht Professor Andreas Schneeweiss, Leiter der Sektion Gynäkologische Onkologie am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) in Heidelberg. Die Eingangsfrage: „Was bringt Patientinnen eine Studienteilnahme?“ Ein Expertengespräch über klinische Studien als erster Beitrag, wenn es um Neuheiten aus der Gesundheitspolitik geht: Das finde ich etwas merkwürdig.

Ich gehe zurück auf die Startseite. Auch hier gibt es einen Aufmacher zum Thema Studien. Ich klicke und lande bei „Pioneering Breast Cancer“, einer Unterseite von „Pionieering Healthcare“, dem Studienportal von Roche Pharma. „Die Website der Brustkrebszentrale“, meint Christiane Fischer von Mezis, „soll Betroffene anscheinend nicht nur über die Krankheit Brustkrebs aufklären, sondern macht auch Werbung“ – unter anderem für klinische Studien.

Aber ist das wirklich so schlimm? Die Entwicklung von Medikamenten ist teuer und wird in Deutschland kaum subventioniert. Damit die Forschung und damit die Therapieoptionen von Krankheiten wie Brustkrebs vorankommen, sind klinische Studien, die unter anderem von Firmen wie Roche Pharma durchgeführt werden, unverzichtbar. Dass Brustkrebs – wenn er früh genug erkannt wird – heute zu gut 80 Prozent heilbar ist, ist auch der Finanz- und Innovationskraft von Pharmafirmen zu verdanken. Professor Schneeweiss ist außerdem ein Experte in Sachen Onkologie.

 

Was das Wort „eventuell“ verbirgt

 

Tatsächlich ist das Interview fachlich fundiert und ausgewogen. Schneeweiss erklärt, wie klinische Studien ablaufen (in vier Phasen), wer an ihnen teilnehmen kann (jeder, der die Ein- oder Ausschlusskriterien erfüllt), was einem Patienten die Teilnahme bringt (den Zugang zu einer neuen, möglicherweise besseren Therapie) und welche Nachteile ihm durch die Teilnahme entstehen können (das Nutzen-Risiko-Verhältnis der neuen Behandlung ist noch nicht abschätzbar).

Susanne Weg-Remers, Leiterin des Krebsinformationsdiensts (KID) des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg bestätigt: „In dem Interview wird alles Wichtige angesprochen.“ Mit einer Aussage ist sie allerdings unzufrieden: „Der große Vorteil der Teilnahme an einer Studie ist“, wird Schneeweiss im Gespräch zitiert, „dass die Patientinnen eventuell Zugang zu einer neuen, möglicherweise besseren Behandlungsmethode erhalten.“

„Das Wort ‚eventuell’ verbirgt“, erklärt Weg-Remers, „dass in großen randomisierten Phase III Studien per Zufall entschieden wird, ob ein Patient in die Studiengruppe kommt und das neue Medikament erhält oder in die Kontrollgruppe mit der Standardtherapie.“ Nur weil jemand an einer klinischen Studie teilnimmt, bedeutet das also nicht, dass er am Ende auch das neue Medikament erhält. „Natürlich lassen sich im Rahmen eines Interviews nicht alle Informationen vermitteln“, weiß die KID-Leiterin „für Patienten ist dieser Hinweis dennoch möglicherweise entscheidend.“

Pharma klärt über Brustkrebs auf – eine Website im Test

Dazu kommt: Das NCT, an dem Onkologe Schneeweiss tätig ist, arbeitet seit vielen Jahren eng mit der Firma Roche Pharma zusammen. 2012 wurde die Zusammenarbeit in einer Kooperationsvereinbarung verankert, 2015 wurde sie um fünf Jahre verlängert. Ziel der Kooperation: Das Behandlungskonzept der „personalisierten Medizin“ in der Onkologie voranzutreiben, neue Therapieformen zu entwickeln und diese den Patienten zur Verfügung zu stellen.

An sich ist an der Zusammenarbeit nichts auszusetzen. Das Problem ist nur: Die Information fand ich nicht auf der Website der Brustkrebszentrale, sondern per Google-Suche. Um wirklich transparent zu agieren, hätte Roche Pharma die Nutzer über die Kooperation und den damit einhergehenden potenziellen Interessenkonflikt informieren müssen.

 

Zertifizierungen geben Sicherheit

 

Dass jedes Unternehmen, jedes Medium mit einer Website eigene Interessen verfolgt, ist klar – auch Journalisten wollen mit ihren Artikeln Schlagzeilen machen und Aufmerksamkeit wecken. Umso wichtiger ist es, sich jeweils klar vor Augen zu führen, wer und mit welchem Ziel eine Website betreibt. 

Um die Qualität einer Internetseite zu bewerten, rät Weg-Remers auf vier Punkte zu achten: 1) Wer ist der Betreiber der Website? Diese Information findet sich im Impressum. 2) Sind die Informationen wissenschaftlich belegt und nachprüfbar, sind die Quellen seriös? 3) Wird unter den Artikeln vermerkt, wann sie zuletzt aktualisiert wurden? 4) Gibt es eine Erklärung zum Datenschutz? In Sachen Gesundheit könnten die Betreiber die Seriosität ihrer Website außerdem mit Zertifikaten belegen – etwa mit dem Gütesiegel des Aktionsforums Gesundheitsinformationssystem (afgis) oder mit der HONcode-Zertifizierung der Stiftung Health On the Net (HON). Bei der Brustkrebszentrale ist leider keines dieser Zertifikate zu finden.

27. Juli 2017 

Foto: Shutterstock.com

Screenshots: www.brustkrebszentrale.de