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Eine Brustchirurgin im Gespräch: „Holen Sie sich alle Informationen über Brustkrebs, die Sie benötigen“

Jo Franks, ihres Zeichens Brustchirurgin, gibt Frauen den Raum, den sie benötigen, um über Brustkrebsfragen und -entscheidungen zu sprechen.

Nach der Brustkrebsdiagnose ist es von entscheidender Bedeutung, dass Frauen all die Informationen erhalten, die sie benötigen, um die für sie angemessene Behandlungsoption auszuwählen. Allzu häufig fühlen sie sich jedoch unter Druck gesetzt, verängstigt und schlecht informiert, kritisiert die Brustchirurgin Joanna Franks.  


 

Joanna Franks, Brust- und Onkoplastische Chirurgin, University College Hospital London

Jo Franks ist Brust- und onkoplastische Chirurgin sowie Chefberaterin am UCLH (University College London Hospital). 

Jo wusste schon sehr früh, dass sie Ärztin werden wollte. Als es soweit war, ihre Bestimmung in die Tat umzusetzen, entschied sie sich für die Chirurgie: „Wir behandeln Krankheit, während viele andere Ärzte sie nur eindämmen“, erklärt sie. „Ich habe mich ganz bewusst auf Brustchirurgie spezialisiert, weil ich spürte, dass ich in diesem Bereich wirklich etwas verändern konnte.“

Auf die Frage, was sie an ihrer Arbeit besonders schätzt, nennt Jo die Möglichkeit, eine Verbindung zu ihren Patientinnen aufzubauen. „Ich weiß, dass ich sie auf eine besonders anstrengende Reise mitnehme, doch setze ich mich dafür ein, dass sie glücklich am Ziel der Reise ankommen.“ Sie ist überzeugt davon, dass es für Frauen unerlässlich ist, eine Beziehung zu ihrem medizinischen Team aufzubauen.

 


Lumpektomie vs. Mastektomie? Lassen Sie sich für die Entscheidung genügend Zeit

 

Eine Brustkrebsdiagnose ist für eine Frau ein gewaltiger Schock, der sich verständlicherweise wie ein absoluter Notfall anfühlt: Sie wird alles daran setzen, den Krebs so schnell wie möglich zu überwinden und ihre Überlebenschancen zu steigern. Laut Jo sollte in den meisten Fällen der Schwerpunkt jedoch eindeutig auf dem richtigen Behandlungsergebnis der erkrankten Frau liegen, wofür sie zunächst die nötige Zeit braucht, um ihre Optionen richtig zu verstehen.

 „Zu erfahren, dass man an Brustkrebs leidet, zieht nicht automatisch eine Notfalloperation nach sich“, erklärt sie. „Den meisten Menschen bleibt genügend Zeit, um sich grundlegend zu informieren und eine Entscheidung zu treffen. Wir informieren uns laufend über sehr viel banalere Dinge — beispielsweise den Kauf eines Autos oder eines Hauses oder den Abschluss einer neuen Versicherung — also sollten wir angesichts einer so wichtigen Sache nicht einfach nur das tun, was man uns sagt, und unser Verhalten später bereuen. Viele dieser Entscheidungen sind vollkommen unumkehrbar. Frauen müssen unbedingt darüber aufgeklärt werden und ich glaube, dass es unsere Aufgabe ist, uns gegenseitig als Frauen dazu zu ermächtigen.“

Langfristige Brust-OP-Ergebnisse

Jo führt ihre Botschaft der Entscheidungshoheit von Patientinnen und der Notwendigkeit von Frauen, möglichst umfassende Informationen einzuholen, weiter aus: „Denken wir nur an die Mastektomie. So manche Frau sieht absolut keine Alternative zu diesem Eingriff, doch stehen heutzutage zahlreiche Optionen zu Auswahl: Direkte Mastektomie, Mastektomie mit unmittelbarer Rekonstruktion oder mit zeitversetzter Rekonstruktion. Viele Frauen kennen sich damit nicht aus und sie brauchen Zeit, um die Unterschiede zu verstehen und zu entscheiden, was sie wirklich wollen. Frauen befürchten, dass Fragen zu ihrem Äußeren als Eitelkeit ausgelegt werden könnten; das ist aber nicht der Fall — sondern Teil der langfristigen Ergebnisse.“ 
 
„Heutzutage steht das Überleben vermehrt im Mittelpunkt und eine richtige Entscheidung am Beginn Ihrer Behandlung bewirkt, dass Sie sich am Ende — und Ihr restliches Leben lang sehr viel besser fühlen.“
 
breast cancer support group
Wie wäre es, wenn die medizinischen Teams den Frauen dabei helfen würden, sich besser zu informieren? „In meiner Praxis müssen Sie im Augenblick der Brustkrebsdiagnose bzw. der Erklärung der Behandlungsoptionen unter keinen Umständen eine derart weitreichende Entscheidung treffen“, sagt Jo. „Sie vereinbaren einen Termin mit einem spezialisierten klinischen Krankenpfleger, sehen sich Aufnahmen an, befühlen Implantate und Brustprothesen aus Silikon, stellen Fragen zu den Abläufen und erteilen erst später — wenn Sie so weit sind — im Rahmen eines weiteren Termins Ihre endgültige Einwilligung.“
 
Manche Frauen brauchen für ihre Entscheidungen einfach länger, weil ihre Behandlung nicht mit chirurgischen Eingriffen sondern mit präoperativer Chemotherapie oder Medikamenten beginnt, die ihren Tumor verkleinern sollen, was die Möglichkeit einer brusterhaltenden Operation statt Mastektomie nicht ausschließt. 
 
Jo erklärt ihren Patientinnen auch, dass keine zwei Krebsereignisse absolut gleich sind. „Brustkrebs ist ein Wort, das hunderte verschiedene Krebsarten umfasst. Heutzutage widmen wir uns verstärkt der personalisierten Medizin — wir untersuchen den individuellen Brustkrebs einzelner Patientinnen und verschreiben angemessene Medikamente und abgestimmte Behandlungsabläufe, um bessere Ergebnisse zu erzielen.“
 

Präoperative Selbsthilfegruppen bei Brustkrebs

„In unserer Abteilung der Plastischen Chirurgie wird ein ‚Präsentationskurs‘ angeboten, bei dem sich Frauen treffen und über ihre Brustkrebserkrankung sprechen, ihre Rekonstruktionen zeigen und anderen erlauben, diese zu berühren. Frauen, die kurz vor einer Behandlung stehen, helfen diese Gruppen sehr, und es zeigt außerdem, wie selbstsicher Patientinnen nach einer Operation auftreten können“, sagt Jo. „Wichtig ist jedoch, dass keine Chirurgen mit dabei sind — es geht nicht um unsere Einstellungen zu Brustchirurgie, sondern um die persönlichen Ansichten der Frauen, und der offene Austausch funktioniert eben nur ohne Chirurgen.“

„Ich würde gerne mehr solcher Gruppenveranstaltungen sehen. Wir Frauen sind sehr gut darin, uns gegenseitig zu unterstützen — wir brauchen dafür nur die richtige Umgebung.“ Örtliche Brustkrebsselbsthilfegruppen und der spezialisierte Fachhandel sollten sich mit Brustgesundheitsärzten zusammentun, die Patientinnen an diese „präoperativen“ Informationsveranstaltungen verweisen könnten. Genau diese ‚Frauengespräche‘ tragen dazu bei, dass sich Patientinnen aufgeklärt, informiert und weniger alleingelassen fühlen.  

 

Brustkrebshilfe und -fürsorge in London

Das University College London Hospital dient jungen Frauen (bis zu einem Alter von 24 Jahren) mit Brustkrebs als Anlaufstelle und verfügt über eigene Vorsorgeeinrichtungen und ein interdisziplinäres Team. „Eine meiner Patientinnen, noch keine 24 Jahre alt und Mutter von zwei Kleinkindern, hatte bereits zahlreiche Behandlungen über sich ergehen lassen, darunter eine beidseitige Mastektomie mit Rekonstruktion und endokrine Behandlungen, die menopausale Ereignisse hervorrufen“, erklärt Jo. „Sie war mit den Nerven völlig am Ende und beklagte sich bei mir darüber, dass sie von ihrer örtlichen Gemeinschaft nicht genügend Unterstützung bekäme — sie wollte einfach nur so schnell wie möglich zur ‚Normalität‘ zurückkehren. Gleichzeitig kam es auch in ihrer Ehe zu ersten Spannungen. Ich empfahl ihr The Haven in London — eine wunderbare Brustkrebs-Wohltätigkeitseinrichtung mit zahlreichen Zentren in ganz Großbritannien. Leider war sie der Ansicht, dass sie nicht daran teilnehmen konnte, ohne ihre Kinder weiter zu vernachlässigen, die bereits sehr unter ihrer Behandlung gelitten hätten.“

Jo suchte nach anderen, lokaleren Einrichtungen, wo ihre Patientin auf einen Kaffee vorbeischauen und Frauen treffen konnte, die Vergleichbares durchmachten. „So stieß ich auf Future Dreams. Sie arbeiten auf ein weiteres Future Dreams House in London hin, um emotionale und körperliche Unterstützung sowie Therapien anzubieten und das Leben aller von Brustkrebs Betroffenen zu verbessern.“

Im Jahr 2019 endet der Mietvertrag, in dem gegenwärtig The Haven in London untergebracht ist, und Future Dreams House wird zur neuen — zentraleren — Heimat von The Haven; es soll als Rettungsleine dienen für Frauen mit Brustkrebs, Frauen in Behandlung, Frauen, die überlebt haben und nun zurechtkommen müssen, und Frauen, die die niederschmetternde Nachricht einer erneuten Krebserkrankung bewältigen müssen, sowie den Familien all dieser Frauen. Der Schwerpunkt liegt auf der Unterstützung von Frauen außerhalb des medizinischen Rahmens und darauf, ihnen die Mittel in die Hand zu geben, um ihre Diagnose und ihr Leben nach der Behandlung zu bewältigen.

Jos späteres Mitwirken an Future Dreams führte dazu, dass sie mittlerweile als Kuratorin der Wohltätigkeitsorganisation fungiert; soeben sind in Zusammenarbeit mit der prominenten Bademodendesignerin Melissa Odabash und Amoena Entwürfe für eine Kollektion für Mastektomie-Bademode entstanden, die von der bekannten, selbst von Brustkrebs betroffenen, TV-Nachrichtensprecherin Jacquie Beltrao präsentiert wurden.

„Ich war wirklich tief beeindruckt von Jacquies Offenheit im Umgang mit ihrer Brustkrebserfahrung und sie ist die ideale Botschafterin für Future Dreams“, sagt Jo. „Wir spüren, dass wir bei der Behandlung von Brustkrebs immer bessere Erfolge erzielen und dass die von uns behandelten Frauen dank der positiven Ergebnisse jahrzehntelang überleben, weshalb die richtige Entscheidung auch so wichtig ist“. 

 

Brustkrebs vorbereitet gegenübertreten: Hilfreiches Wissen zu Ihren Optionen

„Wenn ich aus welchen Gründen auch immer eine Mastektomie ohne Rekonstruktion durchführe, informiere ich meine Patientinnen stets über speziell dafür entworfene Prothesen-Dessous, kaschierende Bademode und Brustprothesen, mit deren Hilfe sie leben können wie zuvor, ohne dass irgendjemand den Unterschied bemerkt. Ausgleichsformen und die richtige Unterwäsche gleichen Asymmetrien nach einer Rekonstruktion aus.“

„Wenn Sie sich nicht schon im Vorfeld damit auseinandersetzen mussten, können Sie gar nicht wissen, was es alles gibt. Wissen ist Macht.“


19. November 2019

Foto: Adobe Stock