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BHs (fast) wie in jedem guten Wäschegeschäft

„Le Néné“ führt BHs speziell für Frauen mit Brustprothesen. An Krankheit erinnert in dem Geschäft aber nichts.

BHs (fast) wie in jedem guten Wäschegeschäft

„Le Néné“ führt BHs und Badeanzüge speziell für Frauen mit Brustprothesen. An Krankheit erinnert in dem Stuttgarter Geschäft jedoch nichts.

Jedes Jahr erhalten in Deutschland laut Zentrum für Krebsregisterdaten (ZfKD) im Robert Koch-Institut rund 70.000 Frauen die Diagnose Brustkrebs. Eine von ihnen war Jana Wagners Mutter. Um den Tumor vollständig zu entfernen, muss bei vielen Betroffenen die Brust ganz oder teilweise abgenommen werden. „Als meine Mutter sich dann im Sanitätsfachgeschäft ihren ersten BH aussuchte“, erzählt Tochter Wagner, „fühlte sie sich extrem unwohl.“ Die Verkäuferinnen waren zwar nett und freundlich, doch all die Bandagen, Toilettensitzerhöhungen und Rollatoren erinnerten die damals 42-Jährige an die Krankheit, die sie doch eigentlich überwunden hatte.

Die Episode ging Jana Wagner nicht mehr aus dem Kopf. Dann kam sie auf die Idee zu „Le Néné“. Das Dessous-Geschäft in der Seestraße in Stuttgart ist eine Boutique speziell für Frauen, die nach einer Brustkrebserkrankung Brustprothesen tragen.


Viele Frauen entscheiden sich gegen die Rekonstruktion der Brust

 

Etwa jede dritte Frau mit Brustkrebs kann nicht mehr brusterhaltend operiert werden, weiß Susanne Weg-Remers, Leiterin des Krebsinformationsdienstes. Dass sich ein Großteil von ihnen gegen den Wiederaufbau entscheidet, hat verschiedene Gründe.

Die einen können es sich nicht vorstellen, mit dem Silikonimplantat erneut einen Fremdkörper in ihrer Brust zu tragen, bei anderen sind es gesundheitliche Bedenken: „Egal, ob die Brust mit einem Implantat oder mit Eigengewebe rekonstruiert wird“, erklärt Weg-Remers, „beides kann dazu führen, dass bei den Nachuntersuchungen ein Rückfall nicht frühzeitig erkannt wird“ – und Angst, dass der Krebs zurückkommt, hat fast jede der Frau.

Caroline Mohr vom Bundesverband Frauenselbsthilfe nach Krebs kann sich daher gut vorstellen, dass Frauen ein Geschäft wie „Le Néné“ helfen kann, über die Krankheit hinwegzukommen. Auch Margret Werner, die selbst seit über 20 Jahren in einem Sanitätsfachgeschäft in Berlin-Lichtenberg Brustkrebspatientinnen betreut, gefällt das Konzept. „Wichtig ist, dass die Frauen genug Platz für sich haben“, sagt sie, „und sich in dem Geschäft wohlfühlen.“

 

BHs (fast) wie in jedem guten WäschegeschäftLichtdurchflutete Räume und schöne Dessous

 

Dass die Frauen sich bei „Le Néné“ wohlfühlen können, dafür hat Wagner gesorgt. Durch die großen Fenster sind die Räume des Geschäfts lichtdurchflutet, die Wände sind pastellrosa gestrichen und auf einem schicken Dekokoffer in der Ecke steht ein Strauß frischer Lilien. An Krankheit erinnert hier tatsächlich nichts.

Selbst die BHs sehen auf den ersten Blick aus wie in jedem anderen Wäschegeschäft – mal fein mit schwarzer Spitze, mal dunkelblau und sportlich. Erst, wenn man die Büstenhalter in die Hand nimmt, fallen die eingenähten Täschchen an den Innenseiten auf. „Hier können Frauen ihre Prothese oder Ausgleichsschale sicher einlegen“, erklärt Wagner. Um einen Lymphstau zu vermeiden, haben die BHs außerdem keine Bügel; eventuell zurückgebliebene Narben werden durch höher geschnittene Seiten kaschiert. Auch Prothesenbadeanzüge, Tücher und eine kleine Hutkollektion hat „Le Néné“ im Sortiment.

Renate Haidinger, erste Vorsitzende des Vereins „Brustkrebs Deutschland“ betont indes, dass es bei der Versorgung der brustoperierter Frauen nicht nur auf das passende Ambiente ankommt, sondern vor allem auf die fachlich kompetente Beratung.

 

Der Kundinnenstamm wächst


Der Meinung ist auch Wagner. Sie selbst hat vorher nie mit betroffenen Frauen gearbeitet. Im Vorfeld hat sie zahlreiche Seminare besucht, um die Erfahrung, die ihr in der Beratung von Brustkrebspatientinnen fehlt, nachzuholen. Auch jetzt noch bildet sie sich regelmäßig fort – ebenso wie ihre Mitarbeiterinnen. „Das Wichtigste ist jedoch“, ist Wagner überzeugt, „dass ich als Mensch einfühlsam und empathisch bin.“

Der Erfolg spricht für ihr Konzept. Seit der Eröffnung vor zwei Jahren hat sich Wagners Kundinnenstamm mehr als verdoppelt. „Einige Frauen reisen sogar extra aus Frankreich an“, verrät Wagner stolz.

 

21. Juli 2017

Fotos: Melanie März Fotographie